“Das bisschen Haushalt ist doch nicht so schlimm”, sagt ein Schlager, einfach so.

Dieser dumme, kleine Schlager meinte diesen Tatbestand ironisch, sollte aufrütteln, die tägliche Fron des Heimchens im Heim thematisieren, polarisieren, aufrütteln. Die Rezipienten lächelten, zwinkerten sich wissend zu – und gingen zur Tagesordnung über. Was für eine tragische Fehleinschätzung…

Haushalt ist lästig, ein notwendiges Übel. Widerwillig rödeln Millionen Heimheimchen – in der Mehrheit Frauen, ein Monopol also – mit ihrem Sauger über Laminat und Nadelfilz, schlabbern achtlos Wischwasser über Fliesen und Linoleum, verschieben Staub und lassen Wichtiges der Unauffindbarkeit anheim fallen. Lustlos, achtlos, lieblos. Die Lustlosigleit und Unprofessionalität meiner “Vorreinigerin” lässt mich schaudern. Das muss nicht sein.

Während ich in der bajuwarischen Erholungsdiaspora Chiemgau die Strapazen des Single-Lebens mit einer guten Zigarre vergessen mache, wuselt meine Mutter geschäftig im Büßergewand des Küchenschürzendrillichs durch das Haus. Sie müsse dies tun, wolle sie nicht in Chaos und Verwahrlosung ihr Dasein fristen. Sie ordnet, räumt, wischt, saugt, putzt, poliert – und leidet. Warum?

Eine gute Freundin – ebenfalls Single – schrieb über ihre Schwierigkeiten, einen Topf zum passen Deckel zu bringen, Spülmaschinenrochade mit Folgen. Mit der Hand spülen? Selbst das große Reine in Angriff nehmen? Freude zu empfinden im Umgang mit den Elementen? Um keinen Preis. Niemals. Warum?

Als frisch gebackener Single vor Jahren mit der Haushaltsarbeit konfrontiert, erkannte ich schnell das lustvolle Moment im Umgang mit Sauger, Mopp und Lappen, das Abenteuer im Experiment mit unverzichtbaren Chemikalien, Sinnlichkeit, ja, und ich schäme mich nicht, dies hier zu erwähnen, Lustgefühle.

Der Spülmaschinen-Eklat des widerspenstigen Topfes ließ mich öffentlich werden mit meiner Sicht der Dinge, meiner Wahrnehmung der Hausarbeit als sinnstiftendes Moment der inneren Versammlung. Ich schrieb:

Ich spüle zu Fuß: warmes Wasser, Spülmittel, dann dem Spülgut – nach Verschmutzungsgrad sortier – ins Badewasser helfen, von Fremdpartikeln, schleimiger Schluntze, gebratenen Gebresten und klebrigem Klumpatsch befreien, mit einem Schluck Wasser entschäumen und dann zwecks Abtropfung artgerecht aufreihen. Wenn alles getan ist: ein knuffiges Handtuch mit Muster passend zur Jahreszeit trocken rubbeln und zur Verwandtschaft einordnend dem Küchenschrank anvertrauen. Welch pathetischer Moment. Welch Kontemplation, mit schrumpligen Fingerkuppen Geschirr zu massieren, Topf und Tiegel der Verwahrlosung zu entreißen, Ordnung zu schaffen im Chaos zerbrechender Küchenstrukturen, ein Stück Kultur aktiv erleben. Oh ja, ich liebe das Spülen, seine soziale Wärme – besonders ohne Gummihandschuhe von erhabener Haptik begleitet – die Augenblicke geistiger Versammlung, der stummen Verbrüderung mit der vergänglichen Dinglichkeit zivilisatorischer Hilfsmittel im Kontext eines Wertewandels zurück zur persönlichen Zuwendung zum Ding als Maßnahme der Werterhaltung.

Reaktionen auf meinen Beitrag (“Hey, Mädels schaut euch den mal genauer an!”) ermuntern mich, mehr aus meinem Erfahrungsschatz publik zu machen, eine neue Ära einzuläuten, die Revolution ins deutsche Heim zu tragen.

Die ganze Woche fiebere ich dem Freitag entgegen: Haushaltstag. Endlich.

Es beginnt mit dem Ritual der Vorbereitung: Hochstellen der Stühle, Freiräumen, Platz schaffen für den ersten Akt der Läuterung. Staubsaugen. Blau und glänzend steht er da, Miele, der Ferrari unter den Saugern, vollelektronisch, sanftrollend, kraftvoll in Sound und Leistung, stabile Kurvenlage, er klebt geradezu auf dem glatten Dielenboden: ‚Power is nothing without Control.’ Willig lässt sich das Kabel der Energiezufuhr aus seiner Garage ziehen, schmatzend rutscht der Stecker in die Dose, mit sattem klingen startet das Triebwerk. Wie sich der Schlauch lustvoll windet, die Düse mit unbändiger Energie Staub und Partikel gierig in sich aufnimmt, der pralle Staubsack schluckt und schluckt. Und schluckt. Bis nichts mehr zu schlucken ist, die Sohlen wieder anfangen, auf dem glatten Untergrund zu quietschen. Ehrfurchtsvoll lasse ich das Kabel wieder in seine Garage flutschen, streiche zärtlich mit einem Poliertuch über meinen blauen Hausfreund und schiebe ihn wieder an seinen Stellplatz. Die Luft ist gefiltert, der Boden frei von Verunreinigungen und ich bereite – bereits in tiefer Meditation – den nächsten Höhepunkt vor, das Wischen.

Aus dem Arsenal liebevoll in bunte Flaschen abgefüllter Chemikalien wähle ich in Abhängigkeit von Raumfeuchte, Untergrundbeschaffenheit und Tageshoroskop den richtigen Tropfen, entkorke vorsichtig und lasse meinen Feudel vorkosten. Mit Gefühl und Augenmaß ausgewrungen schlenzt der Feudel mit Leichtigkeit über den vorbereiteten Grund, dem letzten Krümchen Dreck den Garaus machend. Sanfter Glanz zieht auf, die Wohnraumatmosphäre nimmt den Aprilfrischen Geruch einer Frühlingswiese an. Eine Luft wie Champagner lassen meine Lungen glückselig jubilieren. Frischwärts, Freundinnen der Nacht, frischwärts der Sonne entgegen. Eine tiefe Zufriedenheit erfüllt meine Seele mit dem Gefühl der Freiheit, viel zu schnell vorbei die rituelle Waschung meiner Umwelt.

Als letztes folgt die spielerisch-fröhliche Balz mit dem Staublappen, Mikrofasern lassen den kleinen Flöckchen keine Chance. Resigniert bilden sie im bunten Tuch Kolonien kleiner, grauer Wülste, die von mir – zum Klang hypnotischer Techno-Beats wippend – mit sensiblen Fingerspitzen in den Müll entsorgt werden.

Wenn dann alles wieder an seinem Platz steht, wenn das traute Heim blitzblanke Gemütlichkeit verströmt, wenn meine aufgeputschten Sinne langsam zur Ruhe kommen, meine rosa Geranien mit kühlendem und sättigendem Nass versorgt in der Abendsonne strahlen, wenn dann ein grüner Tee in seiner gläsernen Kanne fröhlich glitzert – dann ist es vollbracht. Erschöpf und befreit von den Stäubchen das Alltags entkleide ich eine Schokolade, knabbere nusshaltige Weiße in der Aprilfrische und weiß: am nächsten Freitag ist es wieder soweit. Und obwohl schon lange kein Single mehr und so mit reichlich Mehrarbeit verwöhnt, hält die Vorfreude nahezu ungebremst an. Obwohl diese hundehaare – aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte.

Das bisschen Haushalt ist nicht nur nicht schlimm, sag’ ich euch. Ich glaube an? Die Sinnlichkeit des Haushalts!