Ich sehe mich vor mir, wie ich da in der kleinen Küche am halbrunden Klapptisch auf hohem Barhocker mit Lehne throne, den Gasherd im Rücken, zur Linken ein Fenster zum Hof mit Blick in meine Zukunft, wundervoll verschneiter, fast lautloser Friedhof, zur Rechten hängt ihr Bademantel am Küchenregal, ehemals für Blumentöpfe in einer Gärtnerei, massiver Stahl, rot lackiert, und nun gefüllt mit blauen und roten Plastikschüben, die gefüllt – thematisch sortiert – mit Gewürzen, Kochzubehör, Tees, Kaffees und Mokkas, weiter unten Taschentücher, Küchenrollen, Nähzeug, diverse Reinigern, Klosettschüsseldüfterchen, Schuhputzzeug und – ganz unten – diverse Schuhen, ihre und meine. Vor mir in silbernem Galerierahmen ein Druck hinter Schrägschnittpassepartout: Stiller Tag am Meer von meinem Lieblingsmaler Lionel Feininger. Eine billige IKEA-Leuchte erhellt Tastatur und Finger – ich weiß, ihr kennt euch bereits – und ein Glas mit furztrockenem Grünen Veltiner Heurigen, leicht moussierend, dazu eine Notebookmaus, drei Telefone und ein Stück jeweils von zwei Armen. Ja, auch Arme haben Beine. Arme haben auch Arme. Beine haben keine Beine. Arme Beine. Auch wenn die Ärmel leicht verwaschen sind, sitzt der Mensch im anschließenden Pullover aufrecht. Immer noch. Ein Fluch, um vieles jünger auszusehen, wenn im Kopf die alten Gedanken um sich selbst kreisen, der auch so jung gebliebenen Sprache in störendem Kontrast alles andere als zu Füßen liegt. Guckt den jung geblieben auf die Hände – und ihr werdet die Bisswunden der Zeitzähne ohne Maske sehen, guckt den jung gebliebenen alten Säcke nicht aufs Tuch, auf die Hände müsst ihr schauen. Hände lügen auch beim Sprechen nicht, eher schon mit Tastatur. Der Clown sieht seine Hände und versteht nicht. Der Clown lacht selten, gerne zwar, doch viel zu selten. Und ein neuer Schluck perlt im Glas, und ein neuer Gedanke wird ums. Hirn geschlagen und die Tasten stürmen die ruhenden Fingerspitzen und die Augen folgen dem Ergebnis ungläubig und die Stirn runzelt ihr Missvergnügen erneut zu tiefen Falten und zulesen tut eh‘ keiner und der Nacken schmerzt und im Ofen wartet ein Zwiebelrostbraten auf ein wenig Appetit und Genuss und nicht dieses Muss, den Hunger zu vertreiben, eigentlich wartet alles, Hund, immer hungrig, Fische, immer hungrig und der alte Mann hinter der Tastatur, dabei, die Zeit wegzutippseln und nicht dabei erkannt zu werden, als Clown allein zu weinen und das mit Vorsicht, da die Tastatur, die Leidenschaft, die Leiden schafft und wegschafft, so zerstört zu werden, besser auch so zerstört zu werden.

Wie die Gedanken. Wie Erwartungen. Auch der Leser wie die des Autors, wenn nicht eine Pointe auf die nächste wartet sondern tiefe Wasser ihr Klischee ersäufen. Das Glas hat es geahnt und ist schon wieder leer. Mundschenk. Wo ist er denn? Hat er nicht Anweisung, des Glases Neige unverzüglich zu begießen? Ist er des Wahnsinns kesse Beute? Wohlan, senke die Karaffe zu des Gastes Ehren. Mach die Sau besoffen, du Filou. Hau ihm die Geistessekremente in den Blechnapf und die hölzernen Löffel mit Schmackes in die Visage. Merkt er nicht mehr, wer Herr, wer Hund? Du behaarter Nachthemd-Filou? Du?

Spätestens hier jodeln die Bad Salzuffelner Kaasspatzen den Refrain aus der Arie des Bürgermeisters in Zar und Zimmermann von diesem Albert Lortzing, auch so einem abgedrehten Berliner Pflänzchen. Ist dennoch tot. Wie Heiner Müller.

„Ich bin so klug und weise – und mich betrügt man nicht“

Wenn der wüsste. Gewusst hätte. Ist schließlich auch tot. Ich weiß. Zuviel. Und während hinter meinem Rücken – positiv – der Braten duftet und knusprig wird, liegt ein Satansbraten – negativ – in anderer Röhre, knusprig auch, auch zum Verzehr, auch Hunger machend, bereit und willig und noch ohne Gabel im Fleisch, nein, Gabel nicht. Wäre es doch nur die Gabel. Wäre es doch nur Besteck, das sich in dieses zarte Fleisch bohrt. Wäre es doch nur von mir. Und doch sitze ich mit dem Rücken zum guten Braten und warte auf meinen zum Verzehr des krustig werdenden. Auch wenn der Bissen im Halse stecken bliebe, hohnlachend wüsste der Clown, wo zumindest noch gespiesen würde. Gelacht wird hier schon lange nicht mehr. Wohlan, fülle er mein Glas geschwind. Der Süffige wird mir den Sinn vernebeln, später nehmen. Der Süffige wird des Wahnsinns Spitze knicken und Stumpfsinn schenken, Augenrollen, Würgereiz und später dann befreiendes Erbrechen. Aber der Clown schweift ab. Immerhin.

Den Schlussakkord spielt laut und launisch den „Magenheber“. Dieser wiederum bittet zu Gehör im Blog des greisen Clowns und hofft, gebührend abgerufen zu werden, um ein warmes Handgeklapper den Protagonisten des bösen Spiels als Opfergabe darzubieten. Man folge den Spuren. Man halte sich an den Chef. Man höre und schüttele Kopf oder Glieder. Man sei so frivol dabei. Ein Augenblick dem Clown im Genick. Denn morgen?

Man weiß es nicht.