Doch, ja, ich habe damit begonnen, an den Fingernägeln zu knabbern. Das erste Mal. In über 50 Jahren. Immerhin. Zum ersten Mal habe ich es vorgestern bemerkt. Weil kaum noch Fingernägel übrig waren. Weg. Einfach so. Eine heiße Spur führte zu den Zähnen. Zu meinen Zähnen. Da hing nun so ein Indiz zwischen den Vorderzähnen und macht nicht sich einmal die Mühe, vor meinem kritischen Blick zu fliehen. Dreist. Und peinlich: ein alter Sack und kaut an den Nägeln…

Ursachenforschung. Minutiös.

Schnell war der Übeltäter, besser, die Übeltäter entlarvt: Single.de-Poster. Nein, Autoren nicht. Doch, es scheint sie zu geben. Nur – sie schreiben selten. Besser: sie veröffentlichen selten. Fast immer nie. Warum auch.

Diese nahezu ausschließlich dummen Kurzdinger mit überflüssigen Links auf noch überflüssigere YouTube-Filmchen in Handyqualität, wie in den nahezu ausschließlich dummen Kurzprofilen mit Links auf noch überflüssigere YouTube-Filmchen in Handyqualität. Oder Zeitungsstorys vom Vortag. Oder Vorvorvortag. Toll. Ganz großes Kino.

Jede noch so dumme Äußerung möchte sich in fremde Ärsche winden, ein bissi Eindruck machen, HIER brüllen mit leiser Fistelstimme, weil das beredte Schweigen hier niemand hören kann. Gefallen wollen im Kreis der Gefallenen. Das Gelalle der Sprachlosen, platzende Sprechblasen der zerebral Entkernten, der Chor der Satzzeichenarmen SMS-Legastheniker auf der vergeblichen Suche nach Inhalten, Einzellereinzeiler, Gartenzwergerotik, Mülltrennungsbetroffenheitsesotherik, der ganze Dreck anbiederndem Sinnfindungsschaum, Abwatscher der moralinsauren Blockwarte der schleimsaugenden Pseudohöflichkeit, Sachverwalter all dieser furchtbar leeren Lebensfürze…

…ist das nicht putzig?

Geh doch weg, Du alte Scheiße! Abmelden! S!O!F!O!R!T!

Yo, ihr Süßen. Könnte euch so passen. Es gibt hier schon eine Handvoll sehr respektabler, offener Menschen. Eine Hand voll. Arrogant? Klar. Arroganz ist die Klatsche zum Vertreiben der Fliegen. Macht nicht einsam, nein, selektiert. Schön, dass es sie gibt. Die das können. Und tun.

Und der Rest? Pawlowsche Hunde, bei denen zum Reizwort/-Satz der Sabber läuft? Zappelmännchen/-frauchen, die in die gewünschte Richtung zucken, wenn am richtigen Faden gezerrt wird? Teutsche Teckel mit dem untrüglichen Biss des Populismus?

Doch. Das alles gab es noch vor etwa sechs Jahren hier auch. Klar. Bodensatz findet sich im Internet immer in höherer Konzentration als im realen Leben. Weil es doch so kuschelig anonym ist. Weil der 160cm Honk mit Glatze und Pilswanne ganz fix zum Jungarnold wird mit Walletolle und IQ von 260 – ach ne, das war ja der virtuelle Porsche, sorry. Hier muss sich niemand in die Augen schauen. Hund ins Profil oder Katze, Auto oder Motorrad, Diddelmausbuntgeklingelprofilaugenkrebs, Cut’n-Paste-Erbrochenes mit YouTubegeflicktflackr oder auch nix, garnix am Besten und/oder doch ein Zitat, das man besser gelassen hätte, hätte man es selbst verstanden. Verstanden?

Blödsinn. Nicht die Profile sind Fakes. Die scheinbar ‘Profilierten’ selbst sind es.

Aber vor Jahren – ich schweifte ab – fanden sich spannende Storys, toll geschriebene Geschichten, schöne Lyrik, interessante Artikel in Serie, jeden Tag gab es oft mehrere davon. Man nannte sie ehrfürchtig Egelfedern, doch, ja, ich erinnere mich genau, auch daran, wie gerne ich dazu gehören wollte und es dann doch nicht wirklich tat. Aber Neid? Warum? Gestaunt habe ich. Gelernt. Mich auf neue Artikel gefreut. Mich versucht. Mit Spaß, ohne Krampf. Nicht, um Aufmerksamkeit bei dieser amorphen Masse zu erschleimen. Jedes “schön geschrieben” von meinen Idolen war wie ein Orden. Doch. Und ein paar sind noch immer hier laut Profil. Nur schweigen sie. Aus gutem Grund. Leider.

Heute? Besser, jetzt? Selten eine Perle. Sehr selten. Dreizeiler. Nur noch Zitate, Allgemeinplätze, Zurechtweisungen von Kritikern, handzahmes Blubbern aus allen Vollpfosten, Langeweile. Kein sich Messen. Kein Ehrgeiz. Kaum Kreativität. Wozu auch?

“Damals” waren die geschriebenen Beiträge im Profil sichtbar. Da konnte man sich an Hand der Postings und Artikel ein Bild machen. Das sagte viel mehr als das Profil. viel mehr. Zuviel wahrscheinlich. Oft viel zu viel. Und heute? Nix.

Frustriert? Ich? Warum? Nur – ernst nehmen geht nicht mehr. Nicht im Ansatz. Hin und wieder ein bissi totes Pferd reiten? Warum nicht. Entspannt nach endlosem Texten. Tastenhure, ich.

Und ein paar nette Menschen habe ich kennen gelernt.

Wo sind jetzt die mit den Powerfingerchen? Gebt mir INPUT!

Und der klägliche Rest von nicht einmal 90% hier?

Puttputtputtt. Das Grauen kehre zurück.