Kunde zu sein macht Spaß. Natürlich nicht im Sinne von gerne Kunde sein im Bezug auf Service und Status, nein, das sicher nicht. Aber es gibt viel zu lachen. Besser: gäbe viel zu lachen. Wenn es nicht nolens volens eher traurig wäre. Ein paar kleine und leider recht repräsentative Einblicke gönne ich meinen Mit-Leidensgenossen aber gerne. Zur schadenfrohen Erbauung:
Alles ist einfacher geworden. Vor allem das Einkaufen. Per Internet bestellt kommen Dinge frei Haus, das spart (meinen) Sprit und viel Zeit. Wenn es denn kommt. Obwohl ich grundsätzlich Anbieter meide, die ihre Waren per DHL – wir erinnern uns: war mal Post… – versenden, kommt es vor, dass ich dieser Herausforderung nicht entgehen kann. Das war im laufenden Jahr sechs Mal der Fall. Handelt es sich um eine Frei-Haus-Lieferung, kann ich sicher sein, diese in einem Zeitschriftenladen abholen zu dürfen, der per pedes apostulorum 12 Minuten entfernt liegt, mit dem Auto ebenfalls. Die Benachrichtigungskarte trifft – natürlich – per Post ein. Handelt es sich hingegen um eine Nachnahme, darf ich diese im nächsten Postamt abholen. Nur ich. Sonst Vollmacht. Keine Parkplätze weit und breit. Zu weit zum Laufen. Ich bin zufrieden.
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Nein. Ich war zu jedem der Liefertermine zu Hause. Immer. Seitenflügel, 4. OG. Noch Fragen? Ach, ehe ich’s vergesse: bei UPS, DPD und Hermes ist das etwas ganz anderes…
Seit anno Tuck bin ich Kunde meiner Bank. Da ich das immer noch bin, verschweige ich den Namen. Dort eröffnete ich ein Geschäftskonto. Sicherheit ist Trumpf, also per HBCI. Dieser – sichere – Service bleibt Geschäftskunden vorbehalten. Der Privatier muss selbst sehen, dass er seine Daten schützt. Wenn nicht, lässt sich die Bank dass gerne viele Millionen pro Jahr an Schadenersetz – natürlich per Kulanz, Rechte haben Bankkunden ebenso wenig wie eine Bank (Mit)Schuld an irgendetwas – und Nebenkosten. Aber HBCI? Nein.
Wer nun also HBCI als Geschäftskunde einrichten möchte, zahlt für die Entlastung der Bank und erhält dafür eine Chipkarte. Nebenbei: während die Managerboni regelmäßig der gestiegenen Gier ihrer Empfänger angepasst werden, kann der staunende Geschäftskunde allen Ernstes alternativ auch den Sicherheitsschlüssel auf Diskette erhalten. Auf DISKETTE! Vor fünf Jahren sah ich das letzte Mal einen PC mit Diskettenlaufwerk. Mich wundert, dass vor Bankfilialen nicht noch Pferdetränken stehen…
Also gut. Chipkarte. Natürlich kann man damit nichts tun, es sei denn, ein Chipkartenlesegerät ist vorhanden, dass meine Bank – natürlich – nicht herausrückt, andere tun dies gegen gepflegten Aufpreis. Immerhin. Zusätzlich benötigt wird ein Kontoverwaltungsprogramm, für das der Kunde – natürlich – auch selbst zu sorgen hat. Sollten sich wider Erwarten Chipkartenlesegerät, Codekarte – mit der Kontokarte geht nienichnix – und Kontoverwaltungsprogramm zusammen gefunden haben, muss man mit den Daten, die per Post kamen, einen „Ini-Brief“ erzeugen, den man dann per Post (Freiumschlag? Hallo? Es ist eine BANK…) zur Zentrale zu schicken hat, welche innerhalb der folgenden 14 (!) Tage einen Brief per Post mit den zur Nutzung des HBCI-Banking nötigen Kontoeinrichtungsdaten zustellt. Doch, auch so kann einem Kunden mitgeteilt werden, dass man Dienstleistung eher auf Kundenseite vermutet.
Die Krönung aber ist der Versuch, im Berliner KaDeWe Herrenmode käuflich zu erwerben, ohne dem Dresscode des Verkaufspersonals Folge zu leisten. Die durch Jeans, Schlabberpulli und Lederjacke sichtlich angewiderte Verkäuferschar bildet eine hominide Wagenburg, oder, wenn allein, stürzt sich in Nagelpflege, Sortimentsoptimierung oder Frühstücks-, Mittags-, Kaffee- oder Zigarettenpause. Auch so entstehen Raucher und SIE sind schuld. Aber trösten Sie sich: überall kann man von Personal über den Haufen gerannt werden, das auf der Flucht vor dem Kunden sich und andere in Lebensgefahr zu bringen bereit ist.
Warum das geht? Weil wir es zulassen. Jeder von uns. Darum geht das. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten? Deutschland. Hierzulande bringen nur zwei Dinge die viel beschworene Volksseele zum Kochen: das Schlagen von Hunden und Tempolimit. Immerhin…
PS.: Nur zu gerne hätte ich den Artikel unter „Polemisches…“ veröffentlicht. Doch leider ist es weder Satire noch polemisch, sondern leider – Realität: Kundenpopoklietsch.