Ich bin in höchstem Maße erregt. Nein, betroffen, ja, betroffen trifft es besser. Meine Hände zittern, nein, Finger, weg von der Tastatur – jetzt rede ich! Raus aus meinem Lieblingsmonolog. Es wird Zeit, sich zu befassen. Sich zu erklären. Stellung zu beziehen. Ja, Bettdecke und Kopfkissen auch, ja, ich kümmere mich darum, später Schatz, im Augenblich passieren ganz andere Dinge. Doch – nein, lass mal. Gute Güte, wie soll man sich da auf irgendetwas konzentrieren. Da ist er schon wieder, der tägliche Lieblingsmonolog. Der tägliche kopfinterne Small Talk. Wie ich den hasse. Abgespreizter kleiner Finger um klebrigen Cocktail. Klebrig wie die Gespräche. Von wegen. Sprechen tun sie alle. Kleben an ihren Cocktails und schauen durch die Augen der Gegenüber durch deren Hirne und Köpfe ins nirgendwo und schlagen sich mit augenlosem Lächeln, nein, die Augen lächeln nicht mit, sind mit Durchdringen beschäftigt, ihre Lieblingsmonologe um die lange schon geschlossenen Ohren. Man muss NICHT beide Hände frei haben, um sich ständig, überall und andauernd ausdauernd auf die eigenen Schultern zu schlagen, verbal meine ich, mit all diesen immer und immer wieder gebetsmühlenartig abgearbeiteten Lieblingsmonologen.
Der Hund war noch nicht draußen. Muss das jetzt sein? Kannst Du nicht? Nein? Ach so, verstehe, geht nicht mehr. Klassisches Beispiel. Der Dialog ist auch keiner. Machst Du kannst Du willst Du mach doch warum eigentlich nicht Du bockst wieder rum dann lass es doch ganz. Nein möchte nicht nicht jetzt warte einfach ab bin gleich fertig ich bocke überhaupt nicht dann lasse ich es eben. Nein, sicherlich eine Art Dialog, kein Gespräch irgendwie und sicher kein Monolog trotz auffälliger Automatismen. Mundgeräusche. Wenn nicht persönlich führen Soapstars Stellvertreterkriege und ersetzen so beruhigend eigene – weil fehlende – Schlagfertigkeit. Immerhin. Interaktion. Antwort auf Antwort einer Antwort der siebenten SMS, klar, reden wäre Gold hier und man könnte verstehen, was das Nichtgegenüber meint. Aber wer will das denn? Bilder sind gemacht und brauchen keine Bestätigung. Vorurteil und Urteil unterscheiden sich in mit oder mit ohne Vorsilbe. Inhalte. Komme mir keiner mit Inhalten. Ganz strittiges Thema. Inhalte. Leute lesen das, was ich schreiben, manche jedenfalls tun das trotzdem, egal, was ich geschrieben habe, mit den Fingern gedacht wohl, die langsamer sind als die Flut des Kopfkinos, die dummen Dinger, die. Anarchie. Dadaismus wäre eine zu große Krone, die mein Haupt sehr zu Unrecht schmücken würde. Anarchie. Nicht autonome Schwarzblockkrawallgedanken. Diese wehleidigen Spießer mit den verdeckten Fratzen, der Alkoholfahne und dem angeborenen Pflasterstein irgendwo im Hinterkopf, in dem bei mir eben die Tastatur lauert. Monolog. Meine ich doch. Wozu Figuren erdenken, die letztendlich bis zur Unerkenntlichkeit verteilt auch das Autorenmosaik zusammen setzen? Ich mache gleich einen Kaffee. Gleich, Schatz, gleich.
Es ist eben keine Fortsetzung, wenn ich eine Tasse Kaffee immer einem Glas Cola den Vorzug gebe. Aber Dank für den Hinweis mit Fisch und Zucker. Von Experimenten sollten generell die Finger gelassen werden, wenn Tiere betroffen sind. Nur vom Käse möchte ich die Finger nicht lassen. Oder vom Fisch. Graphologisches Traumasüppchen können andere löffeln.
Ein Gespräch erschöpft mich. Nur drei Freunde? NUR drei? Freunde aber, nur allzu oft verwechselt mit Menschen zum Austausch angepasster Satzbausteine. Man sieht sich selten, dann intensiv und verlässt sich, ich kann da nur von mir sprechen, erschöpft. Aufgewühlt und leer. Angeregt und für Momente unendlich einsam. Überschwang, Melancholie, Freude, Traurigkeit, dieser Cocktail klebt nicht, Augen verstehen Augen, der Durchblick durchdringt nicht. Sag ihm einfach, er möge später noch einmal anrufen, ich hänge an diesem Text fest und in einer Woche ist Abgabe. Der soll sich nicht so haben. Ja, ich rufe zurück. Wann? Wann arbeitest Du morgen? Ja, dann rufe ich an. Super. Faden verloren. Irgendwo köchelt meine Erregung. Anspannung. Dieses Brennen im Bauch. Irgendetwas war. Oder ist noch. Betroffenheit. Bauchbrennen mit verbaselter Ursache. Nicht einmal auf seinen Ärger kann man sich konzentrieren hier. Nö. Unentspannte, schlechte Laune. Kaffee in zwischen kalt. Kann ich ja gleich mit dem Hund gehen. Wo ist der denn nun wieder? Da, wo Frauchen aufschreit. Liegt wieder im dunkeln Flur und träumt vor sich hin. Mitten in der Toiletteneinflugschneise. Wer drauftritt kassiert einen Schrecken fürs Leben und einen vorwurfsvollen Blick. Also raus mit dem Teppich. Und draußen? Schneit es die Hölle vom Himmel. Muss doch nicht sein. Da wähnt man den Winter in weiter Ferne, pflanzt im Angedenken des schnellen Klimawandels Zypressen im Schrebergarten und darf nun auf dem Balkon Iglus bauen. Auf nichts ist Verlass. Zwiebelprinzip. Shirt, Pullover, Strickjacke, irgendetwas Wasserdichtes, kein Alibi, wärmen muss es, Schal nicht vergessen, Hut, ganz wichtig, Hut mit breiter Krempe, mein schwarzer Borsalino hält die Flocken vom Gesicht fern, Handschuhe. Die schwarzen Stiefel. Zwei paar Socken. Schlüssel. Schlüssel? Wo sind die Schlüssel? Nein, darauf verlasse ich mich nicht. Du schläfst ein nachher, schön warmgekuschelt, und ich friere im Treppenhaus. Natürlich hast DU nicht MEINE Schlüssel gesehen. Nein danke, ich nehme lieber meine. Irgendwo MÜSSEN die doch sein. Toll. Super. Hast DU die hier hingelegt? ICH würde die NIE hier hinlegen, nie! Tolle Retourkutsche, DANKE. Es ist überhaupt nicht raus, dass ICH Deine Keycard damals verbummelt habe. Irgendwann taucht die wieder auf, ich wette.
TÜREN KNALLEN IST KEINE LÖSUNG.
Komm, Dicker. Wir gehen.