Nein, es wird Zeit, auch einmal das Tier in den Mittelpunkt zu stellen, obwohl dies – realistisch betrachtet – nicht wirklich nötig wäre: ER stellt sich selbst. Tag für Tag. ER ist ein dominantes Rassecocktail von 56 Kilo, verliert im Sommer mehr Haare, als bei Udo Waltz seit Gründung zusammen gefegt wurden und ist von bemerkenswerter Sturheit, ein Eier tragender Dominator mit einem Hang zu männlichen Hominiden. Weiblichen Mithunden gegenüber zeigt er sich ebenso unwissend wie interessiert, obwohl er wohl selbst nicht so genau weiß, warum. Die rosige Spitze seines Geschlechtsorgans jedenfalls wird nur in der Position Toilette sichtbar, wenn Abweichungen von der Normkonsistenz seiner illegalen Hinterlassenschaft angestrengtes Drücken erfordert. Nett gestylte papierne Häufchensammler? Plastetüten!
ER? Sultan, Name ist Programm. Halb Boxer, halb Rottweiler, halb Dromedar. Wird er nicht ausreichend beachtet – er wird NIE ausreichend beachtet, NIE! -, legt er sich, Vorderteil zuerst, majestätisch dann das imposante Gesäß, arschwärts gen Ignoranten darnieder, um dann, Kopf zwischen den großen Pfoten, beleidigt über die steigenden Rohstoffpreise guten Hundefutters zu sinnieren oder über die Unterlegenheit der menschlichen Rasse. Oder so. Wir wissen es nicht.
Die Wissenschaft behauptet steif und fest, dass Hunde ein siebenmal feineres Gehör hätten wie der Mensch. Wir wissen es besser. Im befriedeten Umfeld des eigenen Wohnreviers, dass wir gnädiger Weise mit ihm teilen dürfen, hört er gut und versteht auch. Meist. Sultan nämlich begriff schnell, dass er Futterpackungen nicht allein zu öffnen vermag und akzeptierte uns so als temporäre Rudelführer. Schon bei meiner Oma hing ein Teller mit der sinnigen Aufschrift über dem Herd: Frauchen, Frauchen lass dir sagen, die Liebe, die geht durch den Magen. Meine Oma hatte keinen Hund. Allerdings konnte ich bei der Qualität Oma’scher Kochkunst verstehen, warum meine Mutter Einzelkind geblieben ist. Mahlzeit.
Sultan ist in erster Linie Wachhund und achtet streng darauf, jeden Hominiden mit aufgeregtem Jaulen und wild rotierendem Schwanzstummel freudig zu begrüßen, auch wenn er mit Brecheisen, Motorradmütze und Taschenlampe recht unerwartet nachts in der Wohnung stehen würde. Das schont wenigstens die Nerven der Nachbarn und kurbelt den Konsum an. Geht ihm allerdings tagsüber ein Mitglied des Rudels aus Gründen des Futterverdienens abhanden, legt er sich in den Flur und passt auf, dass es auch so bleibt. Wenn nicht, schaut der Macho von unten herauf mit kullergroßen Augen überrascht aus dem Knautschgesicht, als wolle er sagen: „können diese Augen lügen?“, wenn er mit wackelndem Stummel Tüten, Taschen und Tornister observiert. Sie können.
Aber wehe, wenn das Rudelgehege in Richtung aushäusiger Tagesfreizeit verlassen wird. Solange die Leine noch als flexibles Netzwerkkabel das Tier mit dessen Ernährern verbindet, funktioniert die Datenübertragung noch halbwegs zumindest inhaltlich, in Geschwindigkeit und Präzision allerdings stark an die guten alten Modemzeiten erinnernd. Fassen sie sich kurz und sprechen Sie laut. Mindestens. Aber wehe, die Kommunikation zwischen Hund und Mensch muss ohne LAN auskommen und auf die heimische Fritz! Box zum Drahtlosverkehr verzichten: Spontanität wie eine Postkarte aus Italien in die Innere Mongolei. Erst eine hinter dem Rücken gewedelte Schweinehälfte stellt wieder Blickkontakt her und kann sehr kurzzeitig Rufweite erreichen. Alles Weitere regelt die Notaufnahme. Also? Vorauseilender Leinenzwang auch in Hundeauslaufgebieten.
Sonst kennt Sultan fern der Heimat alle Menschen – außer verzweifelte Eigner – und rennt dann schon mal triefend nass mit halbem Baumstamm quer zur Fahrtrichtung auf einen am Strand sitzenden Rentner zu, um sich vor diesem aus Gründen der Höflichkeit erst einmal 23 Hektoliter Havelwasser aus dem Pelz zu schütteln. Reanimation am Strand hat was, alternativ die Klappspaten im Picknickgepäck. Schön, so in der freien Natur.
Das Fressverhalten erinnert stark an einen Häcksler. Brocken jeder Art und Größe vorne rein, viel Geräusch- und Geruchsentwicklung – und den abschließenden Teil lassen wir mal weg. Einkaufstüten. Siehe oben. Noch Fragen?
Ja, nein, doch, solange es noch uns gab, liebten wir das Tier, keine Frage, nein, das Tier gibt es noch, sie irgendwie auch, aber eben nicht uns. Es hat Charakter, ist direkt und offen, lügt nicht, ist genügsam, redet selten dazwischen und ist verschwiegen wie ein Grab, kurz, alles Eigenschaften, die wir bei unseren Mitmenschen zu oft vergebens suchen. Und die Steuer? Ist auch recht günstig.
Wenn ich jetzt noch wüsste, wo ich mein Schnitzel … es lag doch …
Sultan?
SULTAN !!!!!!!
Himmel. Dieser Fusselmacho mit Allüren!