Kreativität findet zwischen 10:00 und 18:00 Uhr statt. Unterbrochen nur von der Mittagspause, Fische füttern und keinem Anruf einer Liebsten. Eure Textilenz leben in Deuschland und selbst die Zahl der Anschläge pro Minute ist gesetzlich geregelt. Solange Brüssel noch zusieht. Das muss dort aber noch gesetzlich geregelt werden. Ein Traum. Und so bin ich gerne kreativ und halte meine Tippzeiten ein.

Ein Albtraum. Aber so kommt Kreativität spontan über mich wie Schluckauf. Spontanität und Kreativität gehören zusammen wie Arsch auf Eimer. Das ist oft unpraktisch. Auf’s Klo begleitet mich die Zeitung, selten ein Notebook, unter der Dusche fehlt beides. Klappe ich mein Notebook im Auto auf, komme ich nicht mehr an’s Lenkrad, was allerdings weniger am Lenkrad liegt. Hier ginge ein Diktiergerät mit Headset. Wie draußen. Eigentlich. Sollte ich aber beim Laufen in der Öffentlichkeit das diktieren, was ich so schreibe, wäre ich nicht mehr lange in der Öffentlichkeit. Zum Glück bin ich nicht Maler. Oder Pianist. Meine Nachbarin ist Querflötinistin. Die könnte zwar auch unterwegs (Entschuldigung) blasen, tut sie aber nicht. Dafür zu Hause. Das ist weniger kreativ, wenn sie für Konzerte probt, dafür aber in Wiederholung. Musik des 20. Jahrhunderts. Bevorzugt Stockhausen, Karl-Heinz. Aber meine Wohnung ist billig und die Aussicht auf den Friedhof beruhigend.

Kannst Du mir zu morgen einen Text schreiben? Tödlich. Kalte Panik, Kolibripuls. Tausend Sachen im Kopf: Vattenfall, Arcor, Lidl, Wäsche, Hunger, Zähne putzen, Juckreiz, Anruf, vielleicht besser GASAG, Luxor Amun Raising, es ist schon 18:00 Uhr…

Text?

Nein, ich habe noch nicht geschrieben. Ja, er wird fertig. Versprochen. Ja, ich sitze dran.

Gas ist gut. Aber wenn so ein Vollpfosten vorher klingelt, bin ich selbst für hartgesottene alles andere als fotogen. Dritter Stock reicht. Würde reichen, ist aber nichts für nicht schwindelfreie. Die Schweinerei mit einem Messer vergessen wir mal ganz schnell. Aufhängen auch. Obwohl, eine Erektion als letztes Lebenszeichen im Tod… die Rücksicht auf eventuel weibliche Pathologen – an liest ja so viel – überwiegt. Siehe Gas.

Kein Text.

Die Reihenfolge der Tasten ist gleich geblieben, ich zähle 17 Babybarsche, gebe im Geiste das Geld für den Text aus, noch ein Kaffee, Luxor Amun Raising, meine Mutter erzählt mir am Telefon was aus der Bayerischen Diaspora – wann hat sie eigentlich angerufen? – und mit den Hunden muss ich auch noch raus. Der Fernseher läuft.

Kein Text.

Ich hätte doch Bootsbauer werden sollen, damals. Lokomotivführer war nie eine Option. Oder Frauenarzt. Wie mein Vater. Auch bei Tisch und Sonntags. Schon deswegen nicht. Vielleicht Programmierer. Oder Musiker. Dann aber nicht Stockhausen und keinesfalls Querflöte. Schlagzeug. Und singen. Dann würde mein Schlagzeug ganz vorne stehen und blinken und leuchten und der Lärm wäre enorm. Der Meinung ist sicher auch der Marienkäfer, der bei mir den Winter überdauert, besser als seine ArtgenossInnenhaufen in den Ecken meines Balkons. Und das war ein Gestank, als der Frost vorbei war und ich den Suppentopf vom Balkon ins Klo trug. Nicht so schlimm, ohne Frost macht es mehr Spass, den Hund zu leeren. Heute habe ich gar keine Lust dazu. Außerdem muss ich gleich die Wäsche aufhängen.

Kein Text.

Lange nicht mehr so schlecht geschlafen in dieser Nacht, mit Knautschgesicht in die Küche getastet, turbo-orale Kaffeezufuhr, Rechenknecht am Start, hingehockt, los getippselt. Und dann war er da, der Text. Kein Problem.