Was einem durch den Kopf geht, wenn es ihm an den Kopf geht. Beim Friseur.

Kleine virtuelle Aufhübschung gefällig? Weil wichtigster Besuch ins Haus steht? Na, dann herein spazifiziert zu einem virtuellen Friseurbesuch. Die Stühle sind bequem, der Kaffee goldgelb und heiß, und das Lehrmädchen…

SIE wird kommen. Großer Bahnhof am Bahnhof. Da möchte alles stimmen, trotz  – oder gerade wegen – zu erwartender Nervosität. Ein verhuschter Galan mit Wuschelkopf, Pullover mit Etikett außen, grünen Socken – einer grünen Socke – zu schwarzen Hosen, Nelken – die hasst SIE – statt Rosen (da wäre selbst eine Gurke willkommener…) und dann mit Verspätung auf dem falschen Bahnsteig. Nein, Berlin ist NICHT erdbebensicher.

Also, das kann alles passieren. Irre sind menschlich. Aber niemals mit Wuschelkopf, mit Wuschelkopf nicht.

Ortstermin Frisör. Waschen und schneiden, natürlich. Und Strähnchen, hellblond auf blond. Weil es Volumen vortäuscht. Weil es jung und dynamisch erscheinen lässt. Sagt Wella. Sagt die Friseurin. Sag’ ich mir.

Das Lehrmädchen darf waschen. Es hört auf den Namen Sabrina, ist blond und hat ein zur Porzellanmaske verschminktes Püppchengesicht. Mein Blick wandert wohlwollend weiter, bleibt auf – nein, wird übersprungen. SIE wird es auch lesen. Lassen wir den Blick schnell in das eigene Antlitz wandern, noch schneller ins Nirwana unpatriotischer Gedanken: dieses Gesicht auf dem Bahnhof und eine Gurke täte es auch. Zur Selbstverteidigung. Zwei Stunden Schlaf waren wohl etwas knapp.

Alle diese Mantafahrer hatten Recht: haben Sie sich schon mal die Haare von einem jungen, aufstrebenden Lehrmädchen waschen lassen? Nein? Geklärt ist zumindest die Frage, warum diese hübschen, schwarzen Nylonmäntelchen den Kunden fast komplett verdecken. Hm, zarte Finger massieren laaangsam und sooo saaaaanft die Kopfhaut mit reinigendem Gleitmittel, kreisend über der Schlääääääääfe – schläfrigschwerer Atem – verwandeln das schuppige Hut-Podest in eine erogene Zone, streicheln in gleichmäßigen Bewegungen die Vernunft aus dem Hirn, erwecken Phantasien (drei Rosenkränze) und Wachträume (10 Vaterunser), ganz sinnliche Versuchung (5 Ave Maria), bei der nebenbei auch noch die Haare sauber werden. Noch sind flüchtig werdende Gedanken an SIE im Kopf.

Dann wäscht Sabrina noch einmal…

Nein, Minderung des Preises wegen verminderter Quantität des Schnittguts wäre nicht üblich, das würde durch den fälligen Finderlohn aufgehoben. Das Luder! Aber sie kann schneiden, Diana, Göttin der Jagd auf Restbehaarung. Tut sie dann auch. Und wie. Bei jedem Standortwechsel der Schere lässt sie den Kamm eine Drehung vollführen. Und dennoch nimmt eine Frisur Formen an.

Kaffe? Nein danke. Nicht, solange Diana in Ohrnähe Kämme rotieren und Scheren klappern lässt.

Und dann die Strähnchen. Silberfolie, Bleichpampe, rollen. Silberfolie, Bleichpampe, rollen. Und so weiter. Mit der Aluwelle auf Party, lecker. Wie dort verstärkt Hitze die Reaktion. Hätte ich einen Wasserkopf, würde ich aus den Nasenlöchern pfeifen: wellt sich die Folie, ist das Fleisch kross. Und die Strähnchen hellblond. Und der Pulli nass. Von innen. Aber lieber schön gar als wuschelig mit Gurke. Mit grüner Gurke, Himmel. Und außerdem…

…darf Sabrina noch einmal waschen

Schatz?

S C H A A A A T Z . . .