Das Ortsschild, Grundloff und eine Tofugazelle im Regenwald

Das künstliche Hüftgelenk wird einfach auf die Urne gelötet und kann dann selbstverständlich ebenfalls in Wagenfarbe lackiert werden. Sogar metallic, matt oder weiß. Waschstraßenfest. Da hilft die halb hochgezogene Augenbraue wenig, mein Herr. Ambitionierte Bedenken?

Jeder allein lösende Mitvierziger hätte auf dem Absatz kehrt gemacht und wäre grußlos im angrenzenden Nebel verschwunden. Aber Grundloff war immerhin Vorfeldmeister und so im Besitz der Macht. Schichtdienstweise. Grundloff kratzte seinem Gegenüber am Kopf und bedankte sich höflich für das Angebot. Er würde die Offerte möglicherweise wohlwollend ventilieren. Bei Interesse sende er einen Boten mit dem bis dahin Verblichenen.

Wie vom Donner gerührt wischte sich Grundloff eine Träne aus dem Knopfloch, verneigte sich in angemessenem Winkel von 43 Grad, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand im angrenzenden Nebel. Erinnerungen wurden ihm zugestellt: sein erstes Waschstraßenfest damals, in jugendlichen Leichtsinn gehüllt zu Fuß bis kurz vor das Ortsendeschild, auf dessen anderer Seite etwas anderes stand. Nein, es war einfach zu nebelig, die Bilder blieben verschwommen.

Die Haustür kam auf ihn zu und drückte ihm sanft eine Klinke in die Hand. Der Schlüssel glitt trotz Dreitagesbart in sein Schloss und drehte eine Runde. Frisch geschaltetes Licht verdämmerte das trübe Außenlicht, grell lackierte Körper heizten durch die Räume und versorgten die behagliche Stimmung. Knisternd machte sich Holz auf, den Kamin zu erglühen. Grundloff war angekommen.

Schon bald erhellte in der Küche der matte Schein des Monitors sein Gesicht, während er sich über die Schulter schaute, eine Hand auf dem halb-runden Tischchen. Er würde sich nicht stören. Er würde sich sich konzentrieren lassen bis zur Essenz und sich Wort auf Wort in die Tastatur tippseln lassen, deren ‘e’ – bis auf den Euro – und ‘i’ und ‘l’ und ‘n’ bereits vertippselt waren und erraten werden wollten. Er, Grundloff, würde Kaltensteinhausen oder die Welt, wobei er, Grundloff, nicht mehr wusste oder wissen konnte, ob die Welt Kaltensteinhausen oder Kaltensteinhausen die Welt sein würde, wenn er zum Abschluss seines Berichts jemals käme, aufklären über die Vorkommnisse der kommenden Zeit. Allein aus diesem Grund würde er sich nicht stören oder von ihm, Grundloff, stören lassen. Und noch während hinter ihm ein Rollmops unlustig in der Pfanne briet, schrieb Grundloff seinen Namen an den Anfang des erschütternden Reports über die Welt und / oder Kaltensteinhausen oder Kaltensteinhausen und / oder die Welt  oder in oder um und die Tofugazelle im Regenwald. Eine Einleitung, einen Rollmops und zwei Tassen Tee später schon unterbrach Grundloff sein Tasten und ließ einen Ordner sichern, der sonst vor der Tür den Spreu aus dem Weizen trennte.

Doch Grundloff war besorgt, wenn auch noch lange nicht bezahlt. Die Fellschlappen standen nicht mehr da, wo sie ihn verließen. Auch das Aquarium hatte kein Wasser darüber verloren und niemand hätte diese Notiz davon genommen. Wenn nicht ausgerechnet gerade eine Sumatrabarbe Grundloff etwas mitteilen zu wollen schien. Schien, mitteilen zu wollen. Mitteilen zu scheinen gewollt hätte. Geteilt zu werden schiente. Geschient zu werden teilte. Scheinte.

Grundloff blätterte im Drehbuch ab, konnte aber die Stelle nicht finden. Hätte er schon damals gewusst, wonach er suchte – vielleicht wäre alles anders gekommen. So aber verließ Grundloff fest im Schritt das Haus, denn einmal mehr hatte ein Ort ihn nicht lange ausgehalten.

Unterdessen hatte das Vorfeld seinen anderen Meister gefunden und schickte Aeroplan auf Aeroplan in den nebligen Himmel. Ein geschickter Aeroplan nahm seinen steigenden Kurs mit und setzte sich mit Gewinn von der Steuer ab, wo ihn andere bereits erwarteten. Auch Grundloff hatte es nicht zu verhindern gewusst.